Interview mit Herrn Abteilungsleiter Herdan
GIH: Der GIH mit seinen rund 2.500 Mitgliedern vertritt alle Berufsgruppen unter den Energieberatern: Architekten, Ingenieure und Handwerker. Letztere sind bei der BAFA-Vor-Ort-Beratung und auch beim individuellen Sanierungsfahrplan für Wohngebäude ausgenommen. Was spricht dagegen, dass diese Berufsgruppe auch Beratungen durchführt, sofern die vorhabensbezogene Unabhängigkeit eingehalten wird?
Bei der Energieberatung setzen wir auf qualifizierte Energieberater, um notwendiges Vertrauen der Verbraucher in die Beratungsempfehlungen und den anschließenden Umsetzungsprozess zu schaffen. Tätig sind neben den Architekten und Ingenieuren auch die Gebäudeenergieberater im Handwerk, die bisher nur dann im Förderprogramm zugelassen sind, wenn sie keinen Handwerksbetrieb haben.
Der Vorschlag einer „vorhabenbezogenen Unabhängigkeit“, also wer berät, führt nicht aus, hat sich nach eingehender Prüfung als nicht praxistauglich erwiesen. So kann dieser Vorschlag zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen kleinen Handwerksbetrieben und größeren Unternehmen wie Energieversorgern führen. Zudem dürfte sich ein Handwerksmeister, der die Wahl hat zwischen einer geförderten Beratung oder der Durchführung einer Investitionsmaßnahme für die Baumaßnahme entscheiden. Zu einem Anstieg der geförderten Energieberatungen wird dies eher nicht führen.
Um den Zielen der Wärmewende gerecht zu werden müssen jedoch deutlich mehr qualitativ hochwertige Energieberatungen durchgeführt werden. Wir prüfen daher, wie künftig alle besonders qualifizierten Fachleute geförderte Energieberatungen durchführen können. Hier können wir uns eine Öffnung vorstellen, die es künftig zum Beispiel auch qualifizierten Handwerkern ermöglicht, Energieberatung und Durchführung von Maßnahmen aus einer Hand anzubieten. Die Beratung muss allerdings auch weiterhin objektiv und qualitativ hochwertig erfolgen.
GIH: Welches Resümee ziehen Sie für die in Kürze endende Legislaturperiode? Sind Sie mit der Umsetzung der im Koalitionsvertrag beschriebenen Forderungen in Sachen Energieberatung und Förderung der Energieeffizienz zufrieden?
Wir haben nicht nur die Förderung einer fachlich fundierten und qualifizierten Energieberatung verstetigt, sondern auch für alle Verbrauchergruppen ausgebaut. Bei den privaten Verbrauchern werden Einstiegsberatungen – zum Teil kostenlos – über die Verbraucherzentralen angeboten. Vertiefte Energieberatungen werden für private Verbraucher, Mittelstand, Kommunen und gemeinnützige Organisationen über zielgruppenspezifische Beratungsprogramme angeboten, die ebenfalls weiterentwickelt worden sind. Vor diesem Hintergrund haben wir in den vergangenen Jahren schon einiges erreicht.
Aber es gibt auch noch einiges zu tun. So müssen wir unsere Fördermaßnahmen neu strukturieren. Da sind wir jetzt mit unserer neuen Förderstrategie auf einem sehr guten Weg. Wir wollen die Beratungs- und Investitionsprogramme klarer strukturieren und noch adressatengerechter ausrichten. Für jeden Adressaten soll das bestehende Förderangebot auf einen Blick erfassbar und leichter zugänglich sein. So wollen wir die Schlagkraft von Energieeffizienzmaßnahmen deutlich erhöhen.
Ziel sollte es zukünftig sein, dass die Beratung – noch weit mehr als bislang – als Vorstufe einer Investition erkannt und mit einer Umsetzung verzahnt wird. Denn eine Beratung führt häufig zu höherwertigen und umfassenderen (systemischen) Investitionsentscheidungen, die ohne Beratung teilweise aus Unkenntnis nicht umgesetzt worden wären. Das gehört bei einem möglichst effektiven Förderportfolio ja auch mit dazu.
GIH: Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung in Bezug auf die Energiepolitik? Ist es beispielsweise notwendig, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG) möglichst rasch auf den Weg gebracht wird?
Insgesamt bleibt die Verbesserung der Energieeffizienz eine Daueraufgabe von Staat und Gesellschaft. Im Energiekonzept haben wir uns vor ein paar Jahren das Ziel ge- setzt, den Primärenergieverbrauch bis 2050 zu halbieren (gegenüber 2008). Wir haben trotz aller bisherigen Erfolge in den kommenden Jahren und Jahrzehnten also noch sehr viel zu tun. Vor diesem Hintergrund haben wir mit dem Grünbuch Energieeffizienz im letzten Jahr einen Diskussionsprozess mit verschiedenen Stakeholdern über künftige Maßnahmen angestoßen. Diesen Prozess werden wir naturgemäß weiterführen.
Wir werden die Energiewende – mit einer langfristigen Perspektive – aber nur Schritt für Schritt weiter entwickeln können. Einige dieser Schritte sind schon klar erkennbar. Aus Sicht der Energieeffizienz wird es in der kommenden Legislatur zum Beispiel überaus wichtig, das Prinzip „Energy Efficiency First“ gesetzlich zu verankern. Das wird sicherlich eine interessante Diskussion werden. Denn dabei geht es unter anderem um die Frage, wie wir zu den notwendigen zusätzlichen Verbrauchsreduzierungen in den nächsten Jahren kommen werden. In diesem Zusammenhang halte ich eine gesetzliche Verankerung unserer Energieverbrauchsziele zum Beispiel für absolut notwendig.
Ähnliches gilt für den Ausbau direkter erneuerbarer Energien und die Sektorkopplung. Auch dies wird eine große Baustelle sein, auf der verschiedene Themen zusammen- greifen, wie zum Beispiel die Digitalisierung und Innovationsfähigkeit der Märkte. Ein weiteres Thema wird sein, wie das Abgaben- und Umlagesystem im Energiebereich künftig ausgestaltet werden kann. Ich denke, auch hier bedarf es eines Gesamtansatzes, der der weiter wachsenden Komplexität unseres Energieversorgungssystems Rechnung trägt.
Bei all diesen Schritten wird auch zur Sprache kommen müssen, mit welchen Risiken für unseren Wirtschaftsstandort die Wachstumsmodelle der Vergangenheit behaftet sind – und welche Chancen demgegenüber ein energieeffizientes (und damit auch saubereres) Wachstum im einundzwanzigsten Jahrhundert bietet. Wir werden uns schlicht nicht leisten können, uns zu sehr an überkommenen Strukturen festzuhalten.
Was das Gebäudeenergiegesetz angeht, so bedauern wir, dass eine Einigung über das Vorhaben nicht zustande gekommen ist und das GEG in dieser Legislaturperiode nicht mehr realisiert werden konnte. Die Weiterentwicklung des Energieeinsparrechts für Gebäude wird allein schon wegen der europarechtlichen Umsetzungsverpflichtung schon sehr bald in der nächsten Legislaturperiode wieder auf der Tagesordnung sein. Daher wird es entscheidend sein, im neuen Koalitionsvertrag einen klaren Auftrag für ein GEG zu verankern.
Der GIH bedankt sich bei Thorsten Herdan für das ausführliche Gespräch.